“Auf geht’s in die vorletzte Runde” sagt Hansen mit einem breiten Grinsen und aufgesetzter Moderator-Stimme. Wir sind auf dem Weg nach München, 10 von 12 CinemaxX-Stationen haben wir geschafft. München und Berlin sind für uns nochmal ganz besonders: In München werden wir wahrscheinlich einige der Leute wieder treffen, die uns in Lissabon getroffen haben, und Berlin ist sowohl Finale als auch Heimspiel.
Obwohl wir schon sehr früh da sind, suchen wir beinahe eine Stunde nach einem Parkplatz auf dem wir Bonnie einerseits günstig und andererseits prominent platzieren können, um noch ein bisschen die Werbetrommel zu rühren. Es schifft in Strömen und eigentlich will ich gar nicht raus aus dem Auto.
Der Aufbau im CinemaxX geht – und auch da merkt man die Routine – so problemlos vonstatten, dass wir schon früh fertig sind. Nur an einer Stelle müssen wir improvisieren: Das CinemaxX ist ein altes, umgebautes Parkhaus, was wohl an der ein oder anderen Stelle Kompromisse mit sich brachte. In unserem Saal fängt die Leinwand etwa 2m über dem Boden an, was bedeutet, dass unser Intro nicht funktioniert: Um uns vorzustellen, haben wir ein kurzes Video gemacht, in dem zwei Spots (weiße Kreise) die Leinwand absuchen. Diese sehen im ansonsten dunklen Raum dann tatsächlich aus wie Scheinwerfer. Das funktioniert aber natürlich nur vor der Leinwand, weshalb die 2m Höhe für unser Intro ein Problem darstellt. Aber nicht verzagen, Hansen fragen: Der schlappt kurzerhand zur Theke und fragt nach dem, was es in München nach Bierflaschen wahrscheinlich am häufigsten gibt – leere Bierkästen. Wir stapeln die Kästen vor der Leinwand so hoch, dass wir im “Scheinwerferlicht” zu sehen sind. Ein irgendwie ulkiges Bild, wenn zwei ansonsten groß gewachsene Leute trotzdem derartiger Hilfsmittel bedürfen, um ausreichend groß zu sein. Ein bisschen erinnert mich das ganze an die Filmszene mit Tom Cruise, welche war das nochmal??
Der Abend ist ein voller Erfolg. Der Saal ist nicht nur gefüllt, die MünchnerInnen machen auch einfach tolle Stimmung. Aber was sie noch besser können, ist “Obazda”. Stephan und Stefan, zwei ehemalige Kollegen von mir, aus meiner Zeit bei der Virtual Identity AG, laden uns noch in das “Weiße Brauhaus” ein. Hansen und ich schlingen die Brez’n und den Käse-Mischmasch mit großem Hunger runter. Irgendwie schön mal wieder mit den beiden über alte Zeiten zu quatschen, aber leider können wir das Treffen nicht so ausreizen, wie ich es gerne gehofft hätte. Berlin ist, je nach Staulage, noch ganze 7-9 Stunden Fahrt entfernt und wir haben beschlossen, zumindest noch heute aus der Stadt herrauszufahren, um dem morgendlichen Münchner Verkehrschaos zu entgehen.
Hansen hält tatsächlich noch bis 2:00 Uhr nachts hinterm Steuer durch, aber als wir dann einen Schlafplatz suchen, sind alle Parkplätze und Raststätten voll mit LKWs. Es gibt für die dicke Bonnie fast keinen Platz mehr. Letztendlich stellen wir sie einfach neben einem 40 Tonner ab. Da wir eh morgen früh weiter wollen, wird das schon nicht stören. Irgendwie gibt das ein lustiges Bild: Obwohl Bonnie eher groß ist, wirkt sie so winzig im Vergleich zu dem LKW-Monster, neben dem sich sich zusammengerollt hat.
Wir schlafen schlecht und kurz, aber was soll man erwarten auf einer Autobahnraststätte und wir sind es ja gewohnt. Draußen sind es nur knappe 5 Grad und so ist die Laune erstmal etwas gedrückt. “Heute ist das Finale” sagt Hansen eher drohend als mit dem Elan von gestern. Aber es hält mir vor Augen, dass die Tour tatsächlich bald vorbei ist und ich weiß schon jetzt, dass ich die Tour vermissen werde. Auch wenn es natürlich anstrengend ist, so viel unterwegs zu sein – der Roadtrip hat auch irgendwie gut getan: Alles dabei, was man braucht, frei hinzugehen, wo man will. Einem Road-Tripper erzähle ich damit nichts Neues, aber ich glaube genau diese Unabhängigkeit und Freiheit ist es, die man in solchen Reisen sucht und findet.
Die Fahrt nach Berlin läuft optimal und wir kommen entspannt und ausgeruht um ca. 16:30 vor dem CinemaxX am Potsdamer Platz an und gehen als erstes mal im Kino schauen, ab wann wir rein können. “Läuft gerade noch der Abspann von Findet Dorie” sagt uns die Verantwortliche. “Das ist der letzte Film vor eurem Event”.
“Perfektes Timing” murmelt Hansen, dreht sich um und holt den Wanderanhänger in den Saal und fängt direkt an auszupacken, während ich den Projektvorraum inspiziere und unsere Technik in Position bringe. Wie immer machen wir Soundcheck für Mikrofone und Videomaterial, testen die Liveübertragung von der Bühne auf die Leinwand mit unserer Webcam, testen die Remote-Controls und ob die virtuellen “Spots” auf der Leinwand an der richtigen Stelle sind. Als wir am Ende noch Zeit haben, beschließen wir es uns für unser Finale noch etwas gemütlicher zu machen und uns einen Berlin-Gag zu gönnen:
Hansen hatte zusammen mit dem Globus, der jetzt Bonnies Mercedes-Stern ziert, eine kleine Diskokugel gekauft. Wir montieren sie vor der Leinwand an einem Mikrofonständer und richten auch für sie einen “virtuellen Spot” ein, so dass dieser genau die ca. 15 cm breite Kugel abdeckt.
“Wenn wa schonma in Balin sinn, wa?” berlinert Hansen und dreht die Kugel an. Tatsächlich reicht der Beamer-Spot aus, um im ganzen Kinosaal kleine Pünktchen tanzen zu lassen. “Berlin Calling” witzele ich zurück.
Jetzt wo alles erledigt ist, merke ich, wie aufgeregt ich werde, was nicht ungewöhnlich ist: Erstens sind heute mehr als 400 Leute angekündigt und zweitens sind davon einige, die ich auch persönlich kenne. Aber innerlich freue ich mich über die Aufregung, weil ich weiß, dass das bisher immer positiv gewirkt hat und eher das Gegenteil ein Problem ist: Wenn alles zu routiniert ist. Schließlich lebt unser Event auch zu guten Stücken aus Spontanität und auch mal menschlichen Aussetzern.
Das Adrenalin hat seine Wirkung nicht verfehlt, es hätte wirklich nicht besser laufen können. Wie schon unsere Premiere war auch das Finale unvergesslich. Der Saal war fast komplett ausverkauft, die Stimmung bombastisch, was sicher nicht zuletzt auch den ca. 20 “Kaoten” aus Hansens Kaos-Projekt zu verdanken ist, die sich keine Lacher haben entgehen lassen. Aber neben denen waren auch meine Arbeitskollegen, Freunde, Verwandte, einfach fast meine ganze Berliner Bekanntschaft da. Alle auf einen Fleck zu bekommen ist an sich eine so seltene Situation, dass allein das schon sehr besonders war.
Der Abend und somit die Tour endete – wie könnte es anders sein – in einer Bar in Neukölln.
Vielen, vielen Dank an alle, die es in unsere Show geschafft haben, die gesamte Tour war wirklich ein unvergessliches Erlebnis. Besonderer Dank gilt natürlich Bonnie, die die gesamten 3500 Kilometer ohne zu mucken oder zu murren durchgemacht hat.
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